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AutorenbildEl Faro Berlin

Täter weg = Sicherheit? Von der Illusion und trügerischen Hoffnung

Aktualisiert: 15. Aug.



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Der Ausbruch aus dem Teufelskreis, gerade im Rahmen des familiären und organisierten Kontextes, ist mehr als ein Meilenstein und Grundlage jedweder Therapie. Oft geschieht dies unter größten Kraftanstrengungen und bis es endgültig geschafft ist, steht das Opfer in vielen Fällen weitere schwerwiegende Übergriffe, Psychoterror und auch Zweifel aus. Die Ängste, den Absprung eventuell nicht lebend zu überstehen, sind immens und durch das zutiefst erschütterte (Selbst-)Vertrauen, spüren die Betroffenen zwar schnell, dass sie dringend aus dem Umfeld raus müssen, gehen aber auch in vielen Fällen und aus den widersprüchlisten Gründen wieder zurück. Das Schreckliche für Außenstehende ist, zu sehen, dass die Betroffenen zurück in den psychischen - und im schlimmsten Fall auch physischen - Tod gehen mit der täterkonditionierten und tief durch die Verdrängung abgespeicherten Wahrnehmung, dass die Gefahr doch nicht so groß sei, wie zuvor angenommen.

 

„Jetzt bin ich sicher!"

Hat der Betroffene es nun aber doch geschafft sich für sich durchzusetzen, haben Zuversicht und Hoffnung innerlich schwerer gewogen als die Angst, ist dies eine Hürde, die die letzte Kraft raubt und man sich freut, endlich in Sicherheit zu sein.

Diese Sicherheit wird in vielen Fällen über den Opferschutz bzw. Frauenhäuser und entsprechende Wohnprojekte erreicht, was für die Betroffenen natürlich eine massive Lebenseinschränkung darstellt, die nun aber dringend durchgehalten werden will.

Es gibt jedoch auch die vermeintliche Sicherheit, die beispielsweise durch den Tod der Eltern / der TäterInnen entstehen kann. Des Weiteren gibt es Betroffene, die daran festhalten, dass sie in Sicherheit seien, da sie von sich aus keinen Kontakt aufbauen oder nur zu den Personen Kontakt haben, die zu den Guten in der Familie oder des Täterkreises gehören.

 

Aber was wäre, wenn...?

Was wäre, wenn der Abschalt- und Verdrängungsmechanismus so groß ist, dass das jahre- und jahrzehntelang konditionierte Opfer einen weiteren Übergriff erneut verdrängt?

Was, wenn es weitere TäterInnen in der Familie gibt und immer schon gegeben hat, die durch die Verdrängung noch nicht im Bewusstsein angelangt sind, da es unerträglich scheint?

Was wäre, wenn der Betroffene dadurch weiteren Täterkontakt hat, ohne es später bewusst in sich zuzulassen?

Was, wenn das Opfer durch die Konditionierung und Dissoziation willfährig auf Trittbrettfahrer wirkt?

Was, wenn die verdrängten und konditionierten Mechanismen wie die „Sexsucht“ durch Trigger die Macht in einem ergreift?

 

Dies sind einige von vielen Fragen, die sich ein von sexualisierter Gewalt betroffener Mensch stellen muss, um wirkliche Sicherheit in sich und im Außen möglich werden zu lassen - gerade dann, wenn dieses Trauma von Kindheitstagen an sein Leben durchzogen hat.

 

Täterkontaktabbruch als endgültige Lösung der Probleme?

Selbst wenn der betroffene Mensch es geschafft hat, den Täterkontakt abzubrechen, im sicheren Hafen einer Opferschutzeinrichtung oder auch außer Landes gegangen ist, um sich ein neues Leben fernab der Hölle, die er hinter sich lassen will, aufzubauen, wird er nicht darum herumkommen, eben diese Mechanismen aufzuarbeiten, wenn er den Teufelskreis des Leides und des ewigen Opfers in sich nachhaltig durchbrechen will.

 

 

Opferschutz

Der Opferschutz, der in vielen Fällen notwendig ist, sollte der Raum sein, in dem der Betroffene zur Ruhe kommen kann, die Seele und oft auch der Körper sich erholen können. In dieser Phase setzen die Selbstheilungskräfte der Seele ein, in dem die vergangenen Erlebnisse und die dazugehörigen Gefühle sich einen Weg in das Bewusstsein suchen. Erinnerungen kommen hoch, die zur Bearbeitung des Traumas und zur Auflösung der täterkonditionierten Mechanismen gebraucht werden. Hier ist es außerordentlich wichtig, dass der so tief verletzte und nun endlich gestrandete Mensch professionell aufgefangen wird. Es gibt sehr viel Redebedarf und es braucht einen geborgenen, vertrauenswürdigen und fachkompetenten Rahmen. Idealerweise ist dies mit einem spezialisierten Therapieplatz verbunden und der Opferschutz wird weiterhin gewährleistet, um einen Kontakt und ein Abfangen durch die TäterInnen, die um ihr Leben fürchten und ihr Opfer zurückhaben wollen, zu vermeiden.

 

 

Mögliche Falle des Opferschutzes

Die Erholung des Menschen lässt ihn erstarken und durch den liebevollen Aufbau und Zuspruch der Helfer und Helferinnen findet er die Kraft, Lebensperspektiven zu entwickeln und damit zurück zur Lebenskraft. Ziel erreicht?!

Problematisch und erneut lebensgefährlich wird es dann, wenn der nun aufgebaute Mensch über seine endlich wieder neu gewonnene Lebensenergie die Gefahr und ggf. weiterhin bestehende Bedrohung „vergisst“ und erneut verdrängt. Natürlich ist es verständlich, dem Wunsch des Lebensglücks nachzugeben und jedes Recht darauf liegt bei ihm. Tragisch ist hierbei nur: TäterInnen warten, je nach Bedrohung für sie selbst, nur darauf, wieder Zugriff auf ihr Opfer zu haben und / oder das Opfer von einst unterschätzt und verdrängt die in ihm abgespeicherten Mechanismen des Täter- Opfer-Konflikts, sowie die dissoziativen Zustände, die es wehrlos machen. Opferschutz findet im Außen statt, aber besonders bei langfristigen Traumatisierungen und denen, die im Entwicklungsalter bis in das Erwachsenenalter stattfinden, findet er in der Hauptsache psychisch statt.

 

Nach dem Täterkontaktabbruch ist vor dem Täterkontaktabbruch

Um wirkliche Sicherheit für sich und sein neu gewonnenes Leben zu haben, ist eine Auflösung des Verdrängungs- und Abschaltmechanismus unbedingt erforderlich.

Der Drang nach Freiheit zieht die Betroffenen eines derart schwerwiegenden Traumas, wie es die familiäre sexualisierte Gewalt und natürlich auch die organisierte sexualisierte Gewalt ist, oft verfrüht ins unbeschwerte Leben und ohne ausreichenden psychischen Schutz und Stabilität zurück.

Meist geschieht dies, ohne dass der Betroffene es merkt, da er noch zu tief in der Verdrängung gefangen ist und der Wunsch nach Leben ist verständlicherweise groß. Dies führt häufig zu erneuten Gewalterfahrungen im Nahfeld und mündet bis zur Bewusstwerdung der tiefenpsychologischen Mechanismen in einer Gewaltspirale.

 

Die Verdrängung ist neben dem Schutzeffekt zum Zeitpunkt des Erlebens zugleich der größte Feind eines Opfers, wenn es in Sicherheit ist. Sie gaukelt dem Opfer eine trügerische Sicherheit vor, wenn es sich selbst nicht schützen kann und die Ängste verdrängt werden müssen.

 

Dieser Mechanismus wird zu oft auch gesellschaftlich und unter Umständen selbst von Ärzten und Therapeuten verdrängt, da es unvorstellbar scheint, dass selbst ein Erwachsener so etwas Dramatisches wie eine Vergewaltigung verdrängen kann und die Gewalt weitere Kreise zieht, als der Betroffene ausspricht oder oft selbst ahnt.

 

Wie ist nun der Weg?

Ist die nötige Stabilität und das nötige Verständnis, nicht nur um die äußeren, sondern vor allem auch um die inneren Gefahren, da, ist dies die Grundlage, um das erforderliche innere Durchhaltevermögen aufzubringen gegen die trügerische Verdrängung, die täterkonditionierten inneren Blockaden und Gefühlsirritationen anzugehen.

Ohne Frage ist dies ein steiniger und dorniger Weg, zu dem sich nicht jeder in der Lage sieht oder ihn auch schlicht und ergreifend zu überspitzt oder gar übertrieben sieht. Es ist der Weg, den wir für uns gegangen sind und der sich in der Praxis bewährt hat, um ein selbstbestimmtes Leben erreichen zu können. Die Herausforderung liegt darin noch einmal bewusst durch sein Trauma hindurchzugehen, um den Teil, den man früher unbewusst erlebt hat, in sich zu integrieren - also die Mechanismen und Zusammenhänge zur Ursache mit den Gefühlen nachvollziehen zu können, die die TäterInnen in einem fehlgeleitet und zu ihren Bedingungen und ihrem Schutz ausgenutzt und manipuliert haben. Erst wenn dieses tiefe Verständnis spürbar ist, besteht die Möglichkeit einer Entscheidung, um neue, selbstbestimmte und gesunde, natürliche Mechanismen wieder aufzubauen und zu entwickeln.

 

Wie der griechische Dichter Pindar in seinen pythischen Oden bereits vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren sinngemäß schrieb: Werde der, der du bist

 

Im Thema der Entwicklungstraumatisierungen sollten wir allerdings um Folgendes ergänzen:

- aber frage warum du nicht der geworden bist, der du bist.

 

Ohne das wirkliche, tiefe Begreifen und gefühlsmäßige Verstehen und Nachvollziehen der manipulierten Gefühle ist eine nachhaltige und echte Verbesserung der Lebensqualität aus unserer Sicht nicht möglich. Alles andere bewirkt neben der Reise vom Regen in die Traufe eine Symptomverschiebung, aber verhilft nicht zur wirklichen Besserung oder zu einem Selbstsicherheitsgefühl und zur Kontrolle über sein Leben.

Selbstverständlich braucht es dafür professionelle und fachkompetente Hilfe, die sich auch auf mehrere Schultern verteilen kann und den unbedingten Willen, nie wieder Opfer oder gar Täter zu werden.

 

Fazit:

Man nimmt seine Probleme mit. Dies ist die schmerzliche, aber doch lebenswichtige Wahrheit, der sich vermutlich jeder früher oder später stellen muss und ist unabhängig vom Kontaktabbruch zu den TäterInnen. Nach dem entscheidenden Schritt den Kontakt konsequent abzubrechen, fängt die eigentliche Arbeit erst an und auch wenn es kein leichter Weg ist, so ist er nicht nur zu schaffen, sondern er lohnt sich. Jeder einzelne Tag lohnt sich, da man die Erfahrung macht frei zu sein. Es ist die äußere und die innere Freiheit, die erlebbar wird und das lebensbejahende Gefühl, dass niemand, außer man selbst, mehr Macht über einen ergreifen kann.

Es ist die Aufgabe von jedem selbst, sich zu dem Menschen in Selbstsicherheit, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu entwickeln, der man im Grunde immer war und ist.  Wie sonst hätte man ein Martyrium wie sexualisierte Gewalt durch die eigene Familie/das Nahfeld überlebt? Wir sind Überlebende und WiderstandskämpferInnen!

Jeder Helfer oder Helferin, ob in therapeutischer, ärztlicher oder auch freundschaftlicher Form, kann nur begleiten und unterstützen. Den Weg geht am Ende jeder selbst, da die eigenen Erfahrungen, wozu im schlimmsten Fall auch die Umwege und Rückschläge zählen, wichtig sind, um zu lernen. Sind es doch immer die in dem persönlichen Weg verborgenen Gefühlsinformationen, die unseren inneren Antrieb zur Veränderung auslösen.

 

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