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AutorenbildEl Faro Berlin

Ich halte mich nicht aus! Wie verdrängte und gestaute Gefühle zu gefährlichen "Seelenfressern" werden

Aktualisiert: 15. Aug.




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Sehr viele Menschen leiden darunter sich selbst kaum bis gar nicht auszuhalten, selbst wenn keine Traumatisierung vorliegt. Es ist die Angst vor der Ruhe, die viele von uns in einen Zustand von Dauerbeschäftigung geraten lassen, um uns nicht selbst spüren zu müssen. Paradoxerweise sind wir jedoch gleichzeitig auf der Suche nach Entspannung, der inneren Mitte und empfinden diese Sehnsucht umso mehr, je mehr wir uns vor uns „selbst“ schützen möchten und dieses Tun ist schon zur zweiten Haut geworden.

 

Was genau halten wir nicht aus, wenn wir doch gleichzeitig auf dem Weg der Selbstfindung und der Suche nach uns selbst sind?

 

Es sind eben die Gefühle, die wir meinen nicht ertragen zu können. Die, die uns darin behindern so weiterzumachen wie bisher – also zu funktionieren.

Es ist der Teil in uns, der uns in das damalige Erleben - und bei Entwicklungstraumatisierungen in das Kind von einst - zurück katapultiert.

Warum reichen die altbewährten Mittel nicht mehr aus?

Alles in uns ist auf Heilung und Gesundung programmiert, so dass auf ganz natürlichem Wege unsere verborgenen Bewusstseinsinhalte, deren Gefühle wir bisher mehr oder weniger erfolgreich verdrängen konnten, sich einen Weg in unser Tun und Handeln, in unser Denken und Fühlen bahnen.

Es sind die Ängste und Unsicherheiten, die Schwächen und vielleicht auch Hässlichkeiten von uns, die wir mit einer alltagstauglichen Rolle zu kaschieren versuchen und die in vielen Fällen auch von der Gesellschaft abgefordert wird.

Funktionieren als Opfer von sexualisierter Gewalt

Wenn wir nun allerdings von einer Entwicklungstraumatisierung wie der sexualisierten Gewalt innerhalb der Familie ausgehen, ist uns eben jene Rolle des Funktionierens und der in der Masse nicht weiter aufzufallen mehr als antrainiert und wurde uns oft unter großen Demütigungen und schrecklichsten Straftaten von Kindesbeinen auf an nicht nur beigebracht, sondern diente am Ende auch als Überlebensstrategie bis zum Zeitpunkt des Ausbruchs.

Aber auch nach dem Ausbruch ist diese Rolle und Zwangsidentifikation natürlich nicht von jetzt auf gleich verschwunden, nur fängt an dieser Stelle das Leid darunter vermehrt an und ruft entsprechende Trittbrettfahrer auf den Plan, die in uns weiterhin das Opfer sehen und gegen die wir uns, in vielen Fällen, aus den alten Mustern heraus nicht adäquat wehren können.

 

Es ist der Kampf gegen das Unaushaltbare

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass dieser innere Konflikt zwischen dem Wunsch, ich selbst sein zu wollen, meine Gefühle spüren und leben zu wollen und dem fast noch dringlicheren Verlangen, die Gefühle aus der Hölle des Missbrauchs und der Gewalt durch die eigenen Eltern auf ewig vergessen zu wollen, eine Zerreißprobe ist.

Zu schwer war es für mich zu ertragen, zu schmerzhaft und demütigend auszuhalten, was aus mir gemacht wurde. „Ja“ dazu zu sagen, ein sexuell missbrauchter Mensch zu sein, jahre- und jahrzehntelang durch die übergestülpte Rolle, die meine Schutzrüstung wurde, ein Leben an mir selbst vorbei gelebt zu haben, einer derartigen Illusion aufgesessen zu sein. Das konnte doch nicht sein - das durfte nicht sein.

Ich war doch gut in meinem Job, war finanziell unabhängig, hatte Freunde, einen großen Bekanntenkreis und war beliebt, es lief doch alles und das „bisschen“, was nicht lief: na gut, keiner hat ein perfektes Leben und anderen geht es viel schlimmer als mir.

Ich tröstete mich über die negativen Dinge hinweg, überspielte, kaschierte und rationalisierte. Ja, ich ging sogar so weit, dass ich meine Stärke daraus zog, um mich besser zu fühlen.

 

Die Seelenfresser ließen nicht locker

Nur bin ich die nagenden Gefühle, die unaufhörlich und für mich nicht länger kontrollierbar meinen lebenslang aufgebauten Schutzpanzer durchfraßen, nicht losgeworden. Egal was ich tat - und ich war wirklich einfallsreich, wenn es um mein Überleben ging.

Der innere Druck wurde immer stärker und er war nicht länger durch meine ausgefeilten und täterkonditionierten Kompensationsmechanismen zu kontrollieren – das System kollabierte. Hinzu kam auch: je länger ich die jahre- und jahrzehntelang gestauten Gefühle in mir unterdrückte, desto mehr Probleme bekam ich im Job, im sozialen Umfeld und umso mehr TrittbrettfahrerInnen durchzogen mein Leben, gegen die ich mich natürlich nicht wehren konnte.

Durch mein fehlendes Bewusstsein über das, was in mir los war, wie ich durch die TäterInnen konditioniert wurde, wurde am Ende alles nur noch schlimmer, wenngleich es doch auch mein Schutz war.

Durch das Bröckeln meiner Rüstung wurde ich zunehmend unsicherer, ängstlicher, Schuld- und Schamgefühle machten sich breit und ich hatte das Gefühl, mein Leben entgleitet mir, der Boden wird mir unter meinen Füßen weggezogen.

Der Kampf in zwei Welten

Natürlich versuchte ich, so lange es mir möglich war, meine Verdrängung aufrecht zu erhalten, zumindest am Tag. Abends, als es dann ruhig wurde, es nichts mehr zum Kompensieren gab, waren sie jedoch da, die „Seelenfresser“.

Es waren Zweifel, es war Angst – Todesangst und auch die Angst verrückt zu werden.

Es konnte doch nicht sein, dass mein Leben gefühlt auf einmal Kopf steht und ich nicht mehr ich selbst bin?! Und wenn doch, wer bin ich dann?

Ich wurde zunehmend depressiver, denn neben der immer wiederkehrenden Angst, die die darauffolgende, ebenso wiederkehrende Verdrängung als Reaktion hatte, machte sich natürlich auch mehr und mehr die Ahnung in mir breit, dass es kein Entkommen gibt. Das Gefühl sich nicht länger entziehen zu können und dass meine Kräfte in der Weise erschöpft sind, dass ich so nicht mehr weitermachen konnte, war zusätzlich mit Trauer, Verzweiflung und Hilflosigkeit gekoppelt.

 

Das starke, traumatisierte Kind in mir

Der Alltag konfrontierte mich mit der Tatsache, dass ich mich durch die verdrängten traumatischen Gefühle nun eher wie ein Kind oder eine Jugendliche fühlte und immer weniger im Stande war mein Leben aus der Erwachsenen, die ich nun nach fast dreißig Jahren war, zu bewältigen. Die Spirale drehte sich also tiefer und tiefer und neben den sich nach oben spülenden Gefühlen aus vergangener Zeit bekam ich auch körperliche Probleme, wie Kopfschmerzen, Magen-Darmbeschwerden, Neurodermitis und Verspannungen im ganzen Körper und andere Dinge mehr. Ich konnte förmlich zusehen, was der Konflikt zwischen Verdrängung und dem penetranten, inneren Verlangen der seelischen Ausheilung mit mir und meinem Leben machte.

Dieses Gefühlschaos, vor dem ich durch das täterkonditionierte Einzelkämpferdasein alleinstand, erzeugte in mir den sehnsüchtigen Wunsch nach Ruhe und Frieden. Schließlich machten sich suizidale Gedanken und Gefühle in mir breit. Warum konnte ich nicht einfach so weiterleben wir bisher, ohne was zu merken und mit der Fähigkeit nicht aufzufallen?

Ich war so entsetzlich wütend!

Heute empfinde ich das verdrängte Trauma ähnlich einem Tumor, der sich unkontrolliert ins Bewusstsein drängt und mehr und mehr gesundes Leben in sich aufnimmt und verschlingt, wenn diese verdrängten Gefühle kein entsprechend gesundes Ventil finden. Ich kann heute sagen, zum Glück war mein Inneres stärker als all die Verbote, Blockaden und Tätermanipulationen in mir und setzte sich penetrant durch. Danke!

 

Wie sollte ich diesem inneren und gleichfalls äußeren Teufelskreis entkommen?

Auch wenn ich bis dahin, mit fast dreißig Jahren, keine Beweise dafür hatte, was genau mit mir passiert war, sondern vielmehr ein Gefühl, so war diese vage Ahnung, die sich nun nicht mehr leugnen ließ, die, auf der ich mein Leben aufbauen musste oder an der ich zerbrechen und sie mein Untergang sein sollte.

 

Licht am Ende des Tunnels

Durch eine gute Freundin, die den gleichen Weg bereits hinter sich hatte, bekam ich einen Hoffnungsschimmer. Durch die Öffnung für meine Problematik erkannte ich, dass ich den oben beschriebenen Konflikt bereits mein Leben lang in mir trug und ich genau genommen schon mein Leben lang unter Depressionen, den typischen Folgen, den psychosomatischen Beschwerden sowie den Spätfolgen aus dem sexuellen Missbrauch und der Gewalt litt. Sätze wie: „Im Zweifel bring ich mich um!“ oder „Wenn ich was kann, dann ist es verdrängen!“ begleiteten mich bewusst mein Leben lang, nur habe ich sie nie in Frage gestellt oder einen Zusammenhang gesehen - es war einfach „normal“, ich war so „normal“.

Ich habe all das erfolgreich vor mir selbst versteckt, besonders zu der Zeit, als meine Eltern noch lebten und ich verstärkt mit der unmittelbaren Todesangst vor Konsequenzen leben musste.

Ein Phänomen, was ich auch gesellschaftlich beobachte: wenn das Thema der sexualisierten Gewalt durch Tabuisierung - und das bedeutet Verdrängung - weiterhin im Dunkeln bleibt, wird es Betroffenen nicht möglich sein sich zu öffnen, aber auch HelferInnen die Möglichkeit nehmen zu helfen.

Erst durch die Öffnung zu mir selbst konnte ich in meinem Umfeld sehen, dass ich nicht allein bin und was andere bereits geschafft haben. Auch was meine langjährige Freundin betraf, öffneten sich mir erst jetzt meine Augen. Durch den inneren Schutz meiner selbst hatte ich keine Chance mich an anderen, die auf ihrem Weg schon fortgeschritten waren, zu orientieren, sie zu erkennen und zu spüren, dass es einen Ausweg gibt.

 

Ventile zum Überleben

Meine Sehnsucht nach dem Tod, genauer gesagt die Flucht im Tod zu suchen, um Ruhe und inneren Frieden zu haben, erwuchs einerseits aus den aufsteigenden Gefühlserinnerungen der traumatischen Erlebnisse, in denen mich meine Eltern an den Rand des Todes gebracht haben und ich seelische Tode mit jeder Vergewaltigung und Folter erlebt habe, andererseits natürlich auch daher, dass ich keinen Ausweg für diese Gefühle gesehen habe und sie mich innerlich auffraßen. Ich wusste nicht wohin mit ihnen.

Ich hatte so viele quälende und unbeantwortete Fragen in mir:Wem sollte ich davon erzählen, wenn ich mir doch selbst unsicher war?

Was sollte ich sagen, wenn ich doch selbst keine Worte dafür fand?

Warum sollte ich reden, wenn es doch eigentlich nichts zu reden gab, es war doch „nur“ ein Gefühl?

Wer sollte mir glauben, wenn ich mir doch selbst nicht glauben konnte?

Wie sollte ich sprechen, wenn ich nicht verrückt wirken will, obwohl alles in mir schreit, es klingt nicht nur verrückt, sondern es ist verrückt?

Ich kann doch nicht sagen, nach fast dreißig Jahre, in denen ich nie sowas in der Richtung behauptet habe, dass meine Eltern und meine Großeltern mich mein Leben lang emotional, physisch und sexuell gewaltvoll missbraucht haben? Das kann doch nicht möglich sein und ist Wahnsinn!

Was werden die Menschen von mir denken?

Wenn ich es einmal ausgesprochen habe, dann kann ich es nicht mehr zurücknehmen und werde mit dem Stempel „sexuell missbraucht“ leben müssen.

Ich werde zum Rand der Gesellschaft gehören, nicht mehr dazu und was bedeutet das für meine Existenz?

Mein ganzes Leben aufgebaut auf einem vagen Gefühl?

uvm.

 

Der Sieg des Guten - gezwungen zum Glück

Getrieben davon, dass mein Inneres mich zwangsläufig konfrontierte und mich nicht in Ruhe zu lassen gedachte, las ich Bücher und tauschte mich auf meine Weise mit eben jener Freundin aus, die schon lange vor mir wusste, was mit mir los war. Ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie da war, mir die Zeit und den Raum gab und mich aushielt, obwohl ich es selbst kaum schaffte. Sie rettete mir damit mein Leben.

Nun hatte ich also ein Ventil und die innere Tür war auf.

Ähnlich einer unter Druck stehenden Sektflasche sprudelten immer mehr Gefühle nach oben und das Puzzle setzte sich zusammen, auf einmal machte alles einen Sinn.

Auf einmal waren so viele Fragen, die ich in meinem Leben durch die innere Zerrissenheit und der Abspaltung eines Großteils meines Lebens nicht beantworten konnte oder sollte, geklärt und obwohl es mir nicht wirklich besser ging, da der ganze Schmerz und andere Gefühle mit in mein Bewusstsein traten, spürte ich eine unendliche Erleichterung, als würde eine tonnenschwere Last von mir fallen.

Neben dem ganzen Schrecken spürte ich endlich mich selbst und sowas wie tiefe Dankbarkeit - Dankbarkeit, dass ich das Grauen überlebt habe, sowie Glück, Freiheit und das Leben selbst.

Und auch wenn ich nun einen Weg vor mir hatte, der steinig und mit vielen einschneidenden Konsequenzen behaftet war und diese schönen Gefühle oft davon überdeckt waren, so war ich doch immer durch sie getragen. Dieses neu gewonnene Selbstbewusstsein verlieh mir die Kraft, mich den bevorstehenden Herausforderungen zu stellen, die für den Aufbau meines selbstbestimmten Lebens zu bewältigen waren.

Es war mehr als eine Hoffnung auf ein Leben, es war die tiefe, innere Gewissheit, dass dies der einzige Weg für mich sein wird und es kein Zurück gibt. Ich muss ihn nur gehen.

All das machte sich auch sehr schnell an meinen körperlichen und ganz klar psychosomatischen Beschwerden positiv bemerkbar und fest steht auch, dass ich diesen Weg niemals allein und ohne die entsprechend liebevolle und fachkompetente Hilfe geschafft hätte.

Es gab Höhen und Tiefen und natürlich gab es auch Tage, an denen mich die Verzweiflung und Rückschläge einholten und ich nicht mehr an mich geglaubt habe diesen Weg zu schaffen.

Wenn ich an dieser Stelle nicht die Menschen gehabt hätte, die diesen Weg schon hinter sich hatten, die in schlimmsten Zeiten mehr an mich glaubten, als ich selbst es konnte, die mir immer wieder in Erinnerung gerufen haben, wer und was ich bin: eine Überlebende, eine starke Frau, die es allen Widerständen zum Trotz geschafft hat aus dem Teufelskreis des Inzestes auszubrechen und das ganze Drama auch noch bewusst aufarbeitet, um sich nie wieder verstecken zu müssen, dann wäre ich vermutlich gescheitert und meinen alten, so tiefverwurzelten Verhaltensmechanismen erneut zum Opfer gefallen. Danke!

 

Auf den Titel des Textes bezogen, sollte die eigentliche Frage lauten:

Wer hält was nicht aus?

Und wer hat wirklich was zu befürchten?

Mit dem Abstand und dem Bewusstsein kann ich heute sagen, ich habe nicht mich nicht ausgehalten, ich habe die Gefühle zu der jahre- und jahrzehntelang andauernden sexualisierten Gewalt durch meine eigenen Eltern und Großeltern nicht ausgehalten. Nur war mir das in der Verdrängung durch die Dauertraumatisierung nicht klar und somit konnte ich, aus meinem geschädigten Blickwinkel, nur selbst das Problem sein.

Natürlich musste ich aus Selbstschutz verdrängen, gerade als kleines Kind und solange ich auch in der gesetzlichen Abhängigkeit zu meinen Eltern stand, aber es gab durchaus Ausbruchsversuche und Hilfeschreie, die wiederum von ihnen vereitelt wurden und mit massiven Konsequenzen und weiteren Übergriffen wurde mir gezeigt was es bedeutet sich Hilfe zu holen bzw. die Straftaten öffentlich ans Tageslicht zu bringen.

Das heißt, ich bin nicht freiwillig in der Verdrängung geblieben und habe somit nicht selbst die Entscheidung getroffen Einzelkämpfer zu sein oder Aushalten zu meinem Lebensprinzip zu machen. Es würde auch allem, was uns Menschen von Natur aus ausmacht, widersprechen.

Es waren vielmehr die TäterInnen, die dies nicht wollten und es selbst nicht ausgehalten hätten. Sind es doch schließlich deren Existenzängste vor Strafverfolgung und vor dem Zusammenbrechen ihrer mühsam aufgebauten Illusion - vom „guten Ruf“ ganz zu schweigen.

 

Trick 17

In der Zeit des Erwachens, so kann ich das aus heutiger Sicht glaube ich ganz treffend beschreiben, drehte sich mein Leben einmal um die eigene Achse und stand Kopf. Nichts war und konnte mehr so sein wie früher.

Ich eignete mir mit der Hilfe, der Therapie und meiner Aufarbeitung psychologisches Wissen an und beschäftigte mich durch gute Lehrer intensiv mit der frühkindlichen Entwicklung und welche Auswirkungen Störungen und Entwicklungstraumatisierungen haben können.

Vor allem aber war für mich interessant, wie die Problematiken meiner Eltern, die ich als solche gar nicht in Gänze erkennen konnte und sollte, sich auf mich als ihr Kind, welches in den ersten Lebensjahren alle Informationen über das Gefühlserleben aufnimmt, auswirkt, wie es sich zwangsläufig adaptiert und anpassen muss, um zu überleben.

Wie sehr es auch die Gefühlswelt der Eltern, selbst ohne Gewalt und missbräuchliche Übergriffe, übernimmt und es als Norm in sich integriert.

Das Bewusstsein für mich aus diesem kindlichen Erleben, die dazugehörigen natürlichen Machtverhältnisse, die Gefühlsübertragung und die Tatsache, erst ab circa vier Jahren einen Verstand zu entwickeln, also Widerstand und Trotz aufbauen zu können, sowie vieles andere, waren fundamentale Erkenntnisse für mich in der Aufarbeitung und für das Verstehen, um mich von quälenden Selbstverwürfen zu befreien und um mir selbst zu verzeihen - wenn es überhaupt bei solch einem grausamen Verbrechen der eigenen Eltern an ihrem Kind bei sich selbst etwas zu verzeihen gibt.

Denn all die Schuld- und Schamgefühle, das nagende Gefühl, nicht eher aus dem Elend ausgebrochen zu sein, falsche Lebensentscheidungen aufgrund dieser maroden Basis getroffen zu haben, die oft schwerwiegende Folgen hatten, fußen auf diese komplexe und massive Traumatisierung und diese ließ nur eine etappenweise Öffnung zu.

Hierin liegt meiner Erfahrung nach dem Verzeihen sich selbst gegenüber und das tiefe Verständnis für seine Seele.

Zum Trick 17 möchte ich sagen, dass ich, in Anbetracht der 180 Grad Drehung meines Lebens, irgendwann durch die Hilfe meiner Therapie angefangen habe, meine Gedanken und meine Gefühlswelt, die unbewusst ja ohnehin schon mein Leben lang Kopf standen, bewusst in Frage zu stellen.

Also bei Gefühlen die Fragen zu stellen:

Sind das wirklich meine Gefühle, möchte ich so die Welt sehen und so mit meinen Mitmenschen, mit mir selbst umgehen? Oder lebe ich unbewusst die Gefühlswelt meiner Mutter / meines Vaters?

Und das Gleiche tat ich mit meinen Gedanken und anderen Mechanismen, die ich viel zu lange als normal und für mich richtig ansah.

 

Es war eine Befreiung zu spüren, dass ich selbst die Entscheidung darüber habe und mich erstmals durch mich selbst entwickeln und ausprobieren konnte. Ich begann zu leben und endlich echte Kontrolle über mich und mein Leben zu haben.

 

Dieser „Trick“, der natürlich nichts anderes als Selbstreflexion ist, begleitet mich durch mein ganzes Leben und ermöglicht es immer tiefer zu schauen und natürlich bewirkt er sich immer mehr selbst zu spüren und sich ebenso vor erneuten Gefühlsübertragungen und Projektionen, die einem zwangsläufig im Alltag mit unseren Mitmenschen begegnen, schützen zu können.

Gleichzeitig hilft er aber auch Gefühle bewusst anzunehmen, wenn sie einem helfen sich weiterzuentwickeln. Letzteres beschreibt das Prinzip der Hilfe eines traumatisierten Menschen, der sich durch seine gestaute und ihn beängstigende Gefühls- und Gedankenwelt glaubt, nicht aushalten zu können. Denn ohne die Gefühle derer, die mich gehalten, aufgefangen und vor mir selbst besser verstanden haben als mein, zum Teil bewusst, vernebelter Blick es zulassen konnte, hätte ich den Weg zu mir selbst nicht wiedergefunden. All die negativen Erfahrungen brauchten ein positives Gegengewicht und entsprechend neue Lebenserfahrungen, damit meine geschundene Gefühlswelt gelindert werden und auch heilen konnte.

 

„Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken." -

Zitat Heinz Ehrhardt, dt. Komiker 1909 - 1979

 

Ich kann nur jedem betroffenen Menschen sagen, glaube nicht alles, was du denkst und fühlst, wenn du als Kind Opfer von emotionaler, physischer und/oder sexualisierter Gewalt durch nahestehende Personen wurdest.

Die Gefühls- und Gedankenwelt ist durchzogen von eben jenen schrecklichen Prägungen, denen du als Kind schutzlos ausgeliefert warst. Obendrein haben die TäterInnen ihre kranke Welt, samt ihrer Ängste, Unsicherheiten, Depressionen, Aggressionen, Perversionen und ihren Umgang mit sich und ihrer eigenen zerstörten Welt auf dich übertragen.

 

Löse dich aus diesen Dogmen und erkenne, dass du nicht mehr abhängig von diesen Menschen bist, du für dich eintreten darfst und Rechte hast. Stell Fragen, baue auf dich und deine Erfahrungen auf, lege deine Grenzen fest, erweitere und entwickle dich weiter und bleibe nicht stehen.

 

Die einzige Verantwortung, die du hast, ist dein eigenes Leben und es liegt einzig und allein in deinen Händen, wie dies aussehen wird.

 

Es gibt einen Weg und niemand ist so allein, wie ein TäterIn es im Grunde seines Herzens ist, wenn er oder sie ein hilfloses und ihm anvertrautes Kind zur Befriedigung seiner Triebe, seinem gestörten Ausleben von Macht und dem Abladen seines Lebensfrustes zum Leben braucht.

 

 

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